Wo Millennials beten

Wo Millennials beten

Gerade ist die MEHR-Konferenz zu Ende gegangen - mehr als 12.000 Leute waren dabei. Anlass für die SZ unter obiger Headline zwei frische Ausdrucksformen von evangelischer und katholischer Kirche vorzustellen, die gegen den Trend wachsen und vor allem die Generation U35 anziehen: Das Raumschiff Ruhr und das Gebetshaus Augsburg. Orte des Willkommens. Orte der Achtsamkeit für die Getriebenen und Gestressten.

Ja, Religion hat sehr viel mit Ästhetik zu tun. Und Ästhetik mit Lifestyle und Milieus. Eine Stärke sowohl des Raumschiffs als auch des Gebetshauses ist, dass sie sich von dem Bild, das die meisten Menschen von der Kirche haben, deutlich unterscheiden und eben gerade nicht für jede und jeden sind. Sie gehen ihren eigenen Weg, verstehen auf der Klaviatur der Popkultur zu spielen, sind sehr erfolgreich in ihren Milieus, und das ist gut so. Wir brauchen deutlich mehr dieser Vielfalt - und zwar möglichst unter dem Dach der beiden großen Konfessionen. 

Sicher - Pluralität ruft Spannungen hervor. Kritik an der theologischen Ausrichtung einiger “new kids on the block” kommt gelegentlich aus den etablierten Kirchenmilieus, und manchmal reibt man sich auch schlicht an deren meist professionellen Marketing. Doch ist die Kritik wirklich berechtigt? - Ich habe eher den Eindruck, gelegentlich wird die Schublade mit dem Label “evangelikal” recht leichtfertig aufgezogen. Dabei ist Theologie bis zu einem gewissen Grad kontextbezogen und es ist begrüßenswert, dass frische Ausdrucksformen von Kirche theologische Produktivität auslösen. Eine Bereicherung für die ganze Kirche wird aber erst daraus, wenn wir über die Grenzen der theologischen Lager bereit sind voneinander zu lernen. Eine rote Linie ist m.E. erst erreicht, wenn aufgeklärte Theologie tatsächlich droht über Bord geworfen zu werden.

Der christliche Glaube ist hierzulande vielerorts arg verkopft und arm an Erfahrung. Mehr Emotion, Charisma und Begeisterung sind nötig. Wobei Emotion den Kern der Sache nicht trifft - es geht wohl eher um so ein fast verschollenes Wort wie Kontemplation. Jedoch nicht jene in klösterlicher Abgeschiedenheit, sondern solche, die man in Augsburg und anderswo erleben kann, wo Hingabe und Leidenschaft in Gebet und Lobpreis spürbar sind, die man in dieser Intensität in den meisten Kirchengemeinden wohl vergeblich suchen wird. 

Kontemplation ist fragwürdig, wo sie zur Weltflucht verleitet und die Aktion aus dem Blick verliert. Aber dieser Vorwurf ist schnell gemacht. Respektieren wir stattdessen, dass es eine neue, starke Sehnsucht nach Momenten der Unverfügbarkeit gibt; danach von etwas - ich nenne es Gott - ergriffen zu werden, das größer ist als ich selbst. Diese Sehnsucht ist die Gegenbewegung zu einer zunehmend funktionalistisch ausgerichteten Welt. Wir brauchen solche Orte, in denen Menschen auf eine innere Reise gehen können und die vielleicht überraschende Erfahrung machen: Christus lebt in mir!

Sichtbar werden

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Vom Segen der Unerreichbarkeit

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