Der keltische Weg

Der keltische Weg

Irland, die grüne Insel am Rande Mitteleuropas, war nie Teil des römischen Reiches. Der Einfluss der römisch-katholischen Kirche mit ihrer straffen Hierarchie war daher bis ins siebte Jahrhundert sehr gering. Es ist das einzige europäische Land, in dem sich der christliche Glaube auch nach 313 von unten her durchsetzte und nicht durch Maßnahmen der kirchlichen Obrigkeit.

Die Kelten waren bereits im 3. Jahrhundert vor Christus bis in das Gebiet der heutigen Türkei vorgedrungen und begannen dort zu siedeln. Galatien bspw. war eine von den keltischen Galatern bewohnte Landschaft. Die Galater, Nachfahren eines etwa 20.000 Mann starken keltischen Söldnerheeres, wurde der erste von Paulus missionierte Stamm keltischen Ursprungs. Man vermutet, dass der christliche Glaube durch uralte Handelsbeziehungen schon früh nach Irland gelangte. Die irischen Kelten waren gebildet und betrachteten die Natur als heilig. Eine zentrale Stellung hatten die Druiden als Weisheitslehrer und Heilkundige. Die ersten Missionare in Irland waren sehr geschickt darin, indigene Formen von Spiritualität in den christlichen Glauben zu integrieren. So wird bspw. in einer frühen Quelle Jesus als oberster Druide bezeichnet.

Der Leitungsstil der Druiden wird als Tribal Leadership bezeichnet. Sie bezogen ihre Autorität nicht aus der Hierarchie, sondern aus Weisheit, Geist und Verstand. Sie leiteten nicht von oben, sondern partizipatorisch. Die Menschen sahen die Heiligen eher als Gefährten an, denen sie sich anvertrauten. Die keltische Theologie betonte die menschliche und geschwisterliche Seite Jesu in besonderer Weise. Gottes Gegenwart ist im normalen Leben erlebbar. Bis heute zeichnen sich irische Segen und Gebete durch eine Würdigung des Alltags und der Schöpfung aus. Gott wird im Gewöhnlichen gesucht; es gibt keinen starken Gegensatz von Profan und Heilig.

John Philipp Newell, ehem. Prior der Iona Community, schreibt: „Die keltische Spiritualität ist durch die Erfahrungen der Wüstenväter beeinflusst. Wenn unsere Gedanken und Gefühle zur Ruhe kommen und frei von Zerstreuung sind, dann können wir Botschaften des Wortes hören, das im Anfang war und durch das alles geschaffen wurde. Die keltische Tradition beruht auf der Mystik des Johannes-Evangeliums, nach der unser Leben und die gesamte Schöpfung wesentlich Äußerungen oder Ausdrucksweisen Gottes sind. Wenn wir Gott hören wollen, dann müssen wir uns auf eine innere Reise begeben; in unseren inneren Grund hineinsehen.“

Keltische Spiritualität ist stark monastisch und seelsorgerlich geprägt. Auf der ganzen Insel bildeten sich klosterähnliche Gemeinschaften, die von einem Abt geleitet wurden, zu denen aber auch Bauern und Handwerker gehörten. Diese Communities waren locker miteinander verbunden und zeichneten sich durch Gastfreundschaft aus. Seine Blütezeit erlebte Irland, als das restliche Europa nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches zu Beginn des fünften Jahrhunderts in der Barberei versank. Die Klöster entwickelten sich zu geistlichen und geistigen Zentren. In ihren Bibliotheken kopierten die Iren alle Bücher aus der antiken Welt, derer sie habhaft werden konnten. Dass wir heute noch auf dieses Wissen zurückgreifen können, haben wir nur den Schreibstuben der irischen Klöster zu verdanken.

Die kleine Insel Iona vor der Westküste Schottlands wurde im sechsten Jahrhundert zum Zentrum der Christianisierung Schottlands und Englands. Warum ausgerechnet sie? - Im Unterschied zum Jakobsweg, bei dem man auf ein Ziel hin pilgert, hatten die frühen irischen Mönche ein anderes Verständnis von Pilgerschaft. Sie vertrauten sich ganz der Führung Gottes an, indem sie ihre Boote einfach von der Meeresströmung treiben ließen. Sie machten sich auf zu unbekannten Ufern. Den Ort, an dem sie an Land gingen, sahen sie als jenen an, an den Gott sie gesandt hatte, um ihre Berufung zu verwirklichen. Auf diese Weise gelangte der irische Mönch Colum Cille mit einigen Gefährten zur kleinen Hebrideninsel Iona und gründete das Kloster, das - mit Unterbrechungen - bis heute existiert . Irische Mönche verbreiteten das Evangelium später von Iona und anderen Klöstern auf ähnliche Weise in viele Gebiete des zusammengebrochenen Römischen Reiches. Sie verstanden sich als Wanderevangelisten und nicht als sesshafte Geistliche. Sie verzichteten bewusst auf die Annehmlichkeiten eines Zuhauses und kamen mit wenig zurecht. Im Unterschied zur imperialistischen römisch-katholischen Mission verstanden sie sich als Gäste in einer fremden Kultur und prägten sie von innen.

Kloster Weltenburg am sog. Donau-Durchbruch bei Regensburg gilt als die älteste keltische Klostergründung in Deutschland.

Der frühere anglikanische Bischof John Finney - in den 1990er Jahren verantwortete er die Dekade der Evangelisation - beschreibt den Unterschied zwischen der römischen und der keltischen Mission wie folgt: „Die römische Strategie bestand daraus, in einem von Heiden besiedelten Gebiet eine rudimentäre kirchliche Organisation mit Bischöfen, Diözesen und Gemeinden aufzubauen, dann zu evangelisieren bzw. zu proklamieren und die Strukturen nach und nach zu festigen. Sie war an einer uniformen Struktur im gesamten Reich interessiert. Der keltische Weg war hingegen, das Leben der Menschen zu teilen, Beziehungen zu ihnen aufzubauen und sie zu versammeln, und dann einen passenden Rahmen für sie zu schaffen. Es war keine koordinierte Aktion. Vielmehr waren es Einzelpersonen und Gemeinschaften, die aufbrachen, um das Evangelium zu verbreiten, weil sie so begeistert davon waren.“ Finney hält den keltischen Weg, also die organische Art der Evangelisation und den Aufbau netzwerkartiger Kirchenstrukturen, für unsere heutige Zeit um ein Vielfaches adäquater als den institutionellen Weg. Die römische Mission eignet sich primär für besiedelte Gebiete mit einer relativ konstanten Bevölkerung, während die keltische Mission pionierhaft im weiten, unbekannten Raum Neues schuf.

Take a Walk on the wild Side

Take a Walk on the wild Side

Raum für das Unverfügbare schaffen

Raum für das Unverfügbare schaffen